Der Grosse Rat hat eine Kommission eingesetzt, welche die Totalrevision des Parlamentsrechts vorbereitet hat. Die Kommission Parlamentsrechtsrevision hat sich entschlossen, das Parlamentsrecht ohne vorgängige Revision der Verfassung zu revidieren. Nach Auffassung des Regierungsrates respektiert die Vorlage den verfassungsrechtlichen Rahmen nicht in umfassender Weise.
Ziel der Revision ist insbesondere eine Stärkung des Grossen Rats. Aus der Sicht des Regierungsrates sollten die Institutionen insgesamt gestärkt werden.
Die seitens des Regierungsrates dem Grossen Rat unterbreiteten Anträge betreffen insbesondere folgende Elemente der Revisionsvorlage:
- Der Regierungsrat hält das vorgesehene Einsichtsrecht von Kommissionen und Aufsichtskommissionen in Mitberichte zu Regierungsratsgeschäften für zu weit gehend. Ein vom Regierungsrat eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. Bernhard Ehrenzeller hat seine Auffassung bestätigt, dass ein zu weit gehendes Recht auf Einsichtnahme die freie kollegiale Beratung und Entscheidfindung und damit die Funktionsfähigkeit der Regierung erheblich beeinträchtigt.
- Der Regierungsrat erachtet die neu vorgesehene Finanzmotion für nicht vereinbar mit seiner verfassungsmässigen Aufgabe, den Voranschlag integral zu verabschieden. Auch in diesem Punkt hat Prof. Ehrenzeller festgehalten, die verfassungsmässige Kompetenz des Regierungsrates würde beeinträchtigt, wenn er nicht mehr frei wäre in der Beurteilung der wirtschafts- und finanzpolitischen Entwicklung des Kantons und den daraus zu ziehenden kurz- und mittelfristigen finanz- und steuerpolitischen Steuerungsmassnahmen. Eine Finanzmotion im Budgetbereich könnte deshalb nur Richtliniencharakter haben, nicht aber verbindlich sein.
- Der Regierungsrat erachtet die neu vorgesehene Aufgabenteilung zwischen der Staatskanzlei und den Parlamentsdiensten (bisher: Ratssekretariat) für nicht vereinbar mit der Vorgabe der Kantonsverfassung, wonach die Staatskanzlei «Stabs- und Verbindungsstelle des Grossen Rates und des Regierungsrates» ist. Die wirklich bedeutsamen Aufgaben einer Stabsstelle des Grossen Rates sollen inskünftig den Parlamentsdiensten vorbehalten sein, während die Staatskanzlei als Hilfsdienstleister der Parlamentsdienste amtieren soll. Der Regierungsrat ist durchaus bereit, über eine grundlegende Veränderung des geltenden Systems zu diskutieren, doch würde dies eine Revision der Kantonsverfassung erfordern.
- Der Regierungsrat beurteilt die neu vorgesehene Umschreibung der neuen und gebundenen Ausgaben als problematisch. Der Entwurf sieht vor, dass Ausgaben nur dann als gebunden gelten sollen, wenn keinerlei Handlungsfreiheit besteht. Mit dieser Definition stände der Kanton Bern im Kantonsvergleich alleine da. Sie würde dazu führen, dass sich wesentlich längere Verfahrensfristen ergeben, was beispielsweise bei Innovationen im Standortwettbewerb zwischen den Kantonen ein Nachteil sein kann.
Anlässlich der Debatte in der Januarsession 2013 wird der Regierungspräsident die Anträge des Regierungsrates vertreten.